Literarische Texte zum Ausflug Grey Street

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von

Dr. Kesavaloo Goonam

 

Dr. Kesavaloo Goonam. 1998 (1991). Coolie Doctor: An Auto­biography. Mumbai: Disha Books Longman. (Übersetzung des Textauszugs Gisela Feurle).

 

Kampagne des passiven Widerstands 1946

Wir entschieden uns, gegen das Anti-Indische Landgesetz Wider­stand zu leisten, indem wir es missachteten und Ver­haftung her­aus­forderten. Wir warben um Unterstützung für die Kampagne und rekrutierten Freiwillige. Für diese Arbeit teilten wir uns auf verschiedene Gebiete auf und entwarfen ein inten­sives Pro­gramm mit Versammlungen. Ich war für das Zentrum zuständig und zu meiner Runde gehörten auch Fabriken. Das bedeutete Versammlungen in der Mittagspause und sich um die Koopera­tion von Fabrikbesitzern und Vorarbeitern zu bemühen. Die weißen Vorarbeiter verstanden ausnahmslos nicht, was wir taten, und es gelang mir oft aufgrund meines Doktorabzeichens hinein zu gelangen, weil sie dachten, das Ganze müsste irgend­etwas mit Gesundheit zu tun haben.

Bei ein oder zwei Gelegenheiten wurde ich während meiner Rede aufgefordert zu gehen […] Ich verließ die Magazine Barracks, aber die Versammlung ging draußen weiter mit noch mehr Zuhörern, da sich Passanten anschlossen.

Wir reisten in abgelegene Gegenden, winzige Dörfer und weni­ger bekannte dorps, um die Leute vor der Gefahr, die auf sie zukam, zu warnen. “Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, dann wird kein Dorf vor der Axt in Sicherheit sein. Wir sind gekommen, um euch über die Bedrohung zu informieren, die über uns schwebt. Ich sage euch Frauen, dass euch das Heim, das ihr Brett um Brett, Dose um Dose, Ziegelstein um Ziegelstein gebaut habt, weggenommen werden wird. Wir werden alle an einen weit ent­fernten Ort verfrachtet werden, um in Wohngebieten, die wie Hühner­ställe sind, zu leben. Der einzige Weg, gegen dieses Gesetz zu kämpfen, ist, Mahatma Gandhis Beispiel von Satya­graha – passivem Widerstand – zu folgen und ins Gefäng­nis zu gehen. (Kap. 13, S.104-105)

 

 

Aziz Hassim

Aziz Hassim. 2002. Lotus People. Durban: Madiba Publishers. (Übersetzung der Text­auszüge Gisela Feurle).

 

Leben in der Casbah – Samstag im Grey Street Viertel

Jede Straße diente einem bestimmten Zweck. Das östliche Ende der Victoria Street war Theater-Land, die westliche Hälfte hauptsächlich für die Märkte und Lebensmittelläden reserviert. Grey Street von der Rennbahn bis zum West End Hotel an der Pine Street war das Paradies für Modefreaks, das ein Sortiment der neuesten Modetrends aus nahezu jedem größeren Zentrum der Welt anbot, wobei die Kleidungsstücke sorgfältig kopiert und fehlerlos in lokalen Sweatshops und Fabriken reproduziert wurden. Queen Street war eine Straße der Barbiere auf der einen und der Eisenwaren- und Holzhändler auf der anderen Seite. Die Pine Street hatte auf der Welt die besten Schneide­reien in Familienbesitz vorzuweisen, in der Prince Edward Street waren die elegantesten Sari-Häuser und Meister-Juwe­liere. Dazwischen und an jeder Ecke gab es die unvermeid­liche Teestube mit den besten Chilli-Snacks und Konfekt im Angebot.

Es war ein Tag ausschließlich dafür bestimmt, sich zu vergnü­gen. Er bewirkte offenbar eine Katharsis für Körper und Seele und rüstete den Geist für die kommende Woche. Es war auch der Tag, an dem Jake, Sandy und ihre Kumpels mehr Geld machten, als der durchschnittliche Bankmanager in der Woche verdiente.

Die Zahlenlotterie, oder Fah Fee, wie man sie nannte, wurde beinahe von jedem gespielt, der ein tickey [ein Drei-Pennystück] oder mehr übrig hatte, und bot eine lukrative Einkommensquelle für gewiefte Betreiber, ergänzt durch den Verkauf von Schwarz­markt-Kinokarten, die immer knapp waren und auf die scharf­sichtige Händler, die den Markt beherrschten, Zugriff hatten. Sie kauften und verkauften sie mit freundlichem Lächeln und der Ungezwungenheit eines Spielers. Es war einfach Teil des Lebens in der Casbah. (S.102-103).

 

Die Casbah – ein sicherer Ort während der Apartheid

In wenigen Minuten waren sie zurück auf der Straße, an der Ecke der Commercial und Grey Street. Schließlich blieb Jake stehen und zündete sich eine Zigarette an. “Die Casbah ist eine andere Welt, Sam. Ein anderes Land. Wenn du dich auskennst, kann dich keine Armee von Cops finden. Du könntest wochenlang verschwinden, dich frei bewegen. Und denk’ nur nicht, dass das nur hier so ist. Du könntest dich genauso leicht in der Dutchene oder May Street oder in einem Dutzend anderer Mini-Casbahs verlieren.”

“Aber wir ducken uns doch vor niemandem, Jake. Warum sind wir nicht einfach auf dem Bürgersteig gegangen?”

“Es ist nicht weise, immer gesehen zu werden. Je weniger jemand weiß, wo du bist, umso besser. Das ist eine gute Regel.” (S.191-192).

 

 

Fathima MeerFatima Meer. 1989. Nelson Mandela – Stimme der Hoffnung. Die autorisierte Biographie – aufgezeich­net von Fatima Meer. München: Heyne. Übersetzung aus dem Englischen von Volker Nähring & Wolf Jakoby.

 

Fatima Meer im Vorwort zu Nelson Mandelas Biographie

Anfang der siebziger Jahre vertrat Nelson in einem Brief an mich die Ansicht, eine Autobio­graphie sei so etwas wie eine Entschuldigung für einen Egotrip. Ich schrieb ihm zurück, ich sei anderer Meinung. Für mich seien manche Autobiographien das wesentliche Erbe eines Volkes. Welche Einstellung er denn überhaupt zu Biographien habe?

Einige Monate später besuchte ich eine Massen­versammlung in der Bolton Hall in Durban, die, glaube Mandela - Meerich, von der Black Consciousness Group [Gruppe Schwarzes Bewuss­t­sein] einberufen worden war, denn ich erinnere mich klar und deutlich an Steve Biko auf dem Podium. Mir wurde eine Nachricht zugeflüstert, von Nelson Mandela, sagte man mir, weitergeleitet durch einen gerade entlassenen Häftling. Nelson würde es begrüßen, wenn ich seine Biographie schriebe.

Die Aussicht auf eine solche Aufgabe schüchterte mich vollkommen ein, obwohl Nelsons Vertrauen mir schmeichelte. Wo und wie sollte man überhaupt einen Anfang machen, wenn der Gegenstand einem verschlossen blieb? Wenige Monate später machte ich meinen ersten und einzigen Besuch auf Robben Island. Nelson riet mir, mit der Mutter von Häuptling Sabata zu sprechen. Sie sei wie seine Mutter, die damals bereits verstorben war. […] Dieses Buch ist bestenfalls meine Deutung Mandelas, denn eine abschließende Biographie kann es ohne persönliche Interviews mit ihm nicht geben. Ich hoffe, eine solche auf ausführlichen Gesprächen basierende Biographie wird eines Tages geschrieben. Am besten wäre es natürlich, Nelson schenkte uns eine Autobiographie. (S.11-14)

 

Imraan CoovadiaImraan Coovadia. 2011. Gezeitenwechsel, Heidelberg: Verlag Wunderhorn. Übersetzung ins Deutsche von Indra Wussow.

 

Im Zentrum von Gezeitenwechsel steht eine indische Arztfamilie in Durban in der Phase nach der Amtszeit Nelson Mandelas. Der Roman hat viele Ebenen: als Porträt der Gesellschaft, als Geschichte einer Familie und als Kriminal­geschichte. (Siehe auch Orte: Durban Stand & Promenade).

 

Nafisas Praxis befand sich im siebten Stock des Durban Medical Center. Von ihrem Büro aus konnte sie die Beatrice Street und die weitere Umgebung von der Rennbahn bis zum Hindu-Tempel sehen. Sie sah auf die Telefonläden und das Krankenhaus, vor dem die Krankenwagen im rechten Winkel gleich neben dem Tor parkten.

Wie hatte sie diese Aussicht an all den Tagen vermisst, an denen sie nicht gearbeitet hatte. Es gab immer etwas zu beobachten. Straßenhändler packten ihre Schokoladenriegel, Zigaretten, Kämme und Zeitschriften aus und legten sie auf die Decken, die sie vorher auf dem Bürgersteig ausgebreitet hatten. Wenn sie wütend auf Jadwat war, dachte sie manchmal darüber nach, ihn zu ärgern und bei einem der Händler einen Plastikkamm für ihn zu kaufen. Was sollte Jadwat bloß mit einem Kamm anfangen?

Nur selten verließ Nafisa das Medical Center zu Fuß. Aus dem Rinnstein schlug ihr immer wieder der Geruch von feuchtem Papier und Urin entgegen. Oft blieb sie stehen und gab den Bettlern, die dort vor der Autowerkstatt herumlungerten, ein paar Münzen. Sie konnte sich darauf ver­lassen, dass sie jedes Mal mit einem Lächeln und Segenssprüchen belohnt wurde. (S. 79-80)

 

Für die weitere Lektüre:

Akabor, Mariam. 2006. Flat 9. Durban: umSinsi Press.

Badsha, Omar. 2001. Imperial ghetto: ways of seeing in a South African city. Johannesburg: South African History Online.

Coovadia, Imraan. 2001. The Wedding. New York: Picador.

Coovadia, Imraan. 2011. Gezeitenwechsel. Heidelberg: Verlag DasWunderhorn. Übersetzung ins Deutsche von Indra Wussow. (Engl. Original: 2010. High Low In-Between, New Delhi: Harper Collins Publishers India).

Coovadia, Imraan. 2016.Vermessenes Land. Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn. Übersetzung ins Deutsche von Susann Urban. (Englisches Original: 2014. Tales of the Metric System)

Goonam, Kesavaloo. 1991. Coolie doctor: an autobiography. Johannesburg: Madiba Publishers. (1998. Mumbai: Disha Books Longman).

Govender, Ravi. 2006. Down Memory Lane. Durban: Ravid Govender Promotions.

Hassim, Aziz. 2002. The Lotus People. Johannesburg: STE Publishers.

Hassim, Aziz. 2009. The Revenge of Kali. Johannesburg: STE Publishers.

Meer, Fatima. 1969. Portrait of Indian South Africans. Avon House.

Meer, Fatima. 1989. Morgen werden sie mich hängen. Südafri­ka: Die Geschichte des jugendlichen Attentäters Andrew Zondo. Reinbeck: Rowohlt. Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff. (Engl. Original: 1987. The Trial of Andrew Zondo).

Meer, Fatima. 1989. Nelson Mandela – Stimme der Hoffnung. Die autorisierte Biographie – aufgezeichnet von Fatima Meer, München: Heyne. Übersetzung ins Deutsche von Volker Nähring / Wolf Jakoby. (Engl. Original: 1988. Higher than Hope. The Authorized Biography of Nelson Mandela).

Naidoo, Phyllis. 2002. Footprints in Grey Street. Durban: Far Ocean Jetty.

 

Ausflug Grey Street

 

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